Zweite Heimat Punta Arenas

Knapp sechs Wochen ist es her, dass wir in Punta Arenas angekommen sind. Punta Arenas, die südlichste Stadt in Chile und die Heimat meines Mannes. Und seit fünf Jahren auch ein Stück weit meine Heimat. Genau hier hat unsere Beziehung ihren Anfang genommen, hier haben wir uns kennen und lieben gelernt, geheiratet und begonnen ein gemeinsames Leben aufzubauen. 


Nach dreieinhalb Jahren kehrten wir nun erstmals für längere Zeit zurück, treffen lange vermisste Freunde und verbringen Zeit mit der Familie. Es beginnt die Vorweihnachtszeit, eigentlich eine besinnliche Zeit in der man sich zurück zieht und zur Ruhe kommt. Doch heuer mag sich diese ruhige Adventstimmung bei uns nicht einstellen. Vielleicht auch, weil man in Chile die Zeit des Advent nicht kennt. Es gibt keinen Adventkranz, keinen Adventskalender und das traditionelle Kekse backen ist auch nicht sehr verbreitet. Gerade mal in den Schaufenstern sieht man weihnachtliche Dekoration und vom Balkon des Rathauses schallt Weihnachtsmusik und Santa Claus winkt herab. Auch das Wetter ist nicht sehr "weihnachtlich" so wie wir es kennen, denn das Tageslicht erhellt die Straßen von 4 Uhr morgens bis 11 Uhr nachts und es scheint die warme Sonne vom Himmel. Vielleicht beginne ich auch einfach mein Zuhause zu vermissen, meine Kultur und meine Traditionen, all jenes womit ich aufgewachsen bin. Wir stehen wieder an jenem Punkt, unsere beiden Kulturen zu vereinen und ich entscheide mich dafür, ein paar Weihnachtskekse nach altem Familienrezept zu backen. Die ganze chilenische Familie hatte große Freude daran, denn nicht nur beim Verschmausen auch beim Backen bekam ich unerwartet Hilfe.




Den Heiligabend haben wir auch ganz im Kreise der Familie verbracht. Jene Familie, die inzwischen in ganz Chile und Österreich verstreut lebt und sich heuer hier in Punta Arenas allsamt wieder vereint hat. Es war ein wunderschöner und besinnlicher Abend mit einem köstlichen Weihnachtsessen und Weihnachtsliedern. Auch haben wir unser Weihnachtsbäumchen, das die letzten vier Jahre in einer Kiste am Dachboden geschlummert hat, wieder hübsch herausgeputzt. Die schönste weihnachtliche Idee für mich war jene, dass wir den Zwang des Schenkens abgestellt haben und unter den Erwachsen "Engerl-Bengerl" gespielt haben, sodass jeder nur ein kleines Geschenk für sein Bengerl aussuchen musste und dies mit Herz und Liebe und ohne Stress machen konnte. Zur Übergabe nimmt am Heiligabend jeder das von ihm ausgesuchte Geschenk und beschreibt sein Bengerl in einigen wenigen Sätzen oder sagt über sein Bengerl ein paar nette Worte ohne seinen Namen zu nennen. Dann wird geraten um wen es sich handelt und derjenige darf sein Geschenk in Empfang nehmen. Eine schöne Idee.



Die Wochen hier in Punta Arenas bringen auch sehr viel Nostalgie mit sich. Wir haben, als wir im Februar 2015 von hier aufgebrochen sind, viele unserer persönlichen Sachen in Kisten gepackt und bei Oma am Dachboden untergebracht. Nun ist der Moment gekommen all dies auszupacken, zu verschenken, zu verkaufen oder mit nach Österreich zu nehmen. Wir sind sich nun im Klaren, dass unser Lebensmittelpunkt in den nächsten Jahren in Österreich sein wird und möchten mit dem Leben hier in Punta Arenas abschließen. Keine leichte Aufgabe, denn die Emotionen kommen immer wieder, auch oft unerwartet, hoch und fordern viel Geduld von uns ab. Doch Stück für Stück arbeiten wir uns vor - durch Kisten, Erinnerungen, Kontakte und Freunde, Familie. Den Moment im Hier und Jetzt genießen, denn diesmal heißt es Abschied zu nehmen - für länger und auf unbestimmte Zeit.


Ein wunderschönes Erlebnis für mich ist, dass ich in jenem Kaffeehaus, in dem ich 2014 hier gearbeitet hatte, wieder ganz herzlich und mit offenen Armen empfangen wurde. So kam es auch, dass ich den Monat Dezember wieder hier arbeiten durfte. Lediglich der Koch und der Chef sind noch dieselben, doch wurde ich von eben jenen als auch von all den neuen Kollegen herzlichst aufgenommen. Nach einigen Tagen war mir klar, dass ich in diesem Kaffeehaus seit meinem Fortgang zu einer Art Mythos geworden bin. Jeder kennt mich und hatte bereits von mir gehört - der Österreicherin die hier mal gearbeitet hatte. Erst verwunderte mich das recht, denn etwas herausragend Beeindruckendes hatte ich hier meiner Meinung nach nicht geleistet. Doch blieb ich bis heute die einzige Nicht-Latina und auch die einzige die drei Sprachen spricht, die in dem Café gearbeitet hat - was wohl schon an sich beeindruckend ist. 😊 Es war ein anstrengender Monat für mich, denn nach fünf Monaten auf Reisen plötzlich 40 Stunden pro Woche im Service zu arbeiten und auch Freunde zu treffen, Zeit mit der Familie zu verbringen und Weihnachten vorzubereiten, doch es war ein tolles Erlebnis das ich nicht missen möchte. Ich habe im Café neue Freunde gefunden, mich weiter entwickelt, selbst reflektiert und die Zeit einfach genossen. Es ist ein schönes Gefühl, auch nach vier Jahren in Erinnerung geblieben zu sein, wieder dort anknüpfen zu können wo man gegangen ist und zu wissen, dass man hier immer einen Platz haben wird.



Was sonst noch so in Punta Arenas passiert?
Die wärmenden Sonnenstrahlen auf der Plaza genießen...


Alejandro´s Geburtstag feiern mit Freunden und mit der Mama...




"Choripan con leche de platano" im Kiosko Roca - dem Original in Punta Arenas - essen... (wer meinen Beitrag aus Santiago gelesen hat, kennt die traditionelle Geschichte des Kiosko Roca und seinen berühmten Choripan bereits)



Und viel Zeit mit Freunden und Familie verbringen...


Ach ja... unseren vierten Hochzeitstag haben wir gestern auch gefeiert 💖 Leider mit starker Verkühlung und ans Bett gefesselt, doch konnten wir den Jahresausklang und den Start ins neue Jahr - ins Jahr 2019 und auch ins fünfte Ehejahr - an genau jenem Ort verbringen, an dem wir vor vier Jahren unsere Hochzeit gefeiert haben. Im Haus von Alejandro´s Oma, am selben Sofa sitzend und vom selben Fenster aus das Feuerwerk ansehend. Alles was passiert im Leben hat seinen Grund und darum haben wir unseren Hochzeitstag genau hier in diesem Haus voller Erinnerungen verbracht. Nostalgisch, romantisch und in die Zukunft blickend. (Das Foto ist diesmal nicht von uns, aber ich finde den Blick über Punta Arenas wunderschön und habe es mir daher von Patagoniad geliehen)



Lange Zeit waren wir unsicher über den weiteren Verlauf unserer Reise. Endet sie hier, geht sie weiter und wenn ja wohin...? Seit ein paar Tagen sind wir uns dessen im Klaren 😃
Wir werden weiter reisen, doch nicht mehr allzu lange. Noch erwarten uns ein paar Freunde in Buenos Aires, wo wir auch noch gerne den Sommer ein wenig genießen möchten. Doch zieht es uns auch schön langsam wieder Richtung Heimat, die Reiselust versiegt jeden Tag ein bisschen mehr und wir freuen uns wieder auf ein Stück Zuhause - unser gemeinsames Zuhause in Österreich. In einer Woche werden wir von Punta Arenas aufbrechen nach Buenos Aires, wo uns noch knappe vier Wochen blieben, bevor wir nach Europa fliegen. Wir haben uns kein bestimmtes Ziel ausgesucht, sondern einfach den günstigsten Flug von Buenos Aires nach irgendwo in Europa gebucht - und es ist London. Auch das muss eine Bestimmung des Schicksals sein, denn seit Alejandro 2015 nach Europa kam, träumt er davon London zu besuchen. Und auch meiner Oma geht es ähnlich, denn auch sie träumt schon lange davon, einmal London zu sehen. So führt nun eines zum anderen, dass wir ein großes Wiedersehen im Kreise meiner  Familie in London feiern werden 💞


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