Die Carretera Austral zählt wohl zu den bekanntesten und schönsten Landstrichen in ganz Südamerika. Dort, wo der Panamerican Highway von Alaska kommend sein Ende nimmt, beginnt die Straße des Südens. Von Puerto Montt schlängelt sie sich durch die wunderbare Landschaft im Süden Chiles, zwischen den Bergen der Anden hindurch und der Küste und den Fjorden des Pazifiks entlang, vorbei an türkisblauen Seen und heimischen Wäldern bis in den Norden Patagoniens, wo ihr der weitere Weg durch den See O´Higgins und den hohen Anden versperrt wird.
Zu entdecken gibt es hier viel, was auch unzählige Touristen jedes Jahr anzieht. Die kurvigen Schotter- und Asphaltpisten locken sowohl Motorradfahrer, Biker und Camper gleichermaßen an wie Rucksacktouristen die am Straßenrand auf eine Mitfahrgelegenheit warten.
Wir zählen uns zu letzteren und hatten großen Respekt davor, die Carretera Austral ohne eigenem Fahrzeug zu erkunden. Man hört von langen Wartezeiten bis ein Auto anhält und von anderen erschwerenden Bedingungen wie das plötzlich umschlagende Wetter oder in unserem Fall auch das geringe Verkehrsaufkommen am Ende der Vorsaison. Doch wir nehmen die Herausforderung an und haben es bis zum Ende niemals bereut.
Jeder der sich für die Carretera Austral entscheidet, befährt sie auf seine eigene Art und Weise. Wir haben uns dazu entschlossen, sie recht zügig zu befahren und die vielen Nationalparks zu überspringen, da wir während unserer Zeit in Chile bereits sehr viele derer besucht hatten. So kam es, dass wir bereits nach sieben Tagen an unserem Ziel Chile Chico im unteren Drittel der Strecke angekommen waren. Angekommen mit einem wunderbaren Gefühl der Aufregung, der Entspannung, dem Bewusstsein eine der schönsten Landschaften in ganz Südamerika gesehen und deren Bewohner kennen gelernt zu haben.
Schon in Puerto Montt stellen wir fest, dass es unzählige Busunternehmen gibt, die verschiedene Destinationen auf der Carretera Austral anfahren. Für 5.000 CLP (6,50 €) kaufen wir direkt vor Abfahrt ein Ticket für die vierstündige Fahrt nach Hornopirén, unserem ersten Halt und dem sogenannten „Eingangstor“ der Carretera Austral. Hier haben wir wieder das Glück, dass uns bereits eine Bekannte erwartet und in ihrem Haus für zwei Nächte aufnimmt. Eine besondere Überraschung war, dass sie sich Zeit genommen hatte um mit uns ein paar kleine Ausflüge zu unternehmen. So kamen wir in den Genuss, den Wasserfall Rio Blanco und den gleichnamigen Fluss zu sehen und auch einen nächtlichen Ausflug in die naheliegenden heißen Thermalbäder Pichicolo zu unternehmen. Auf Empfehlung spazierten wir am nächsten Tag entlang des Flussufers des Rio Negro zu einer Chocolateria, wo wir hausgemachtes Calafate-Eis und Schokolade probierten. Beides war ausgezeichnet und vor allem mit einer solchen Hingabe des Besitzers hergestellt, dass wir für die „Chocolateria y Heladeria Hornopiren“ eine deftige Empfehlung aussprechen müssen! Mit den Menschen ins Reden zu kommen, deren Motive und Kultur kennenzulernen, ihnen nahe zu sein – das ist uns wichtig auf dieser Reise.
Von Hornopirén aus muss man um weiter in den Süden zu gelangen, die Fähre nach Caleta Gonzalo nehmen. Es gibt zwei Schiffahrtsunternehmen auf dieser Strecke: Naviera Austral, welche die vierstündige Fahrt um die Insel außen herum zurücklegt und Somarco, welche durch die Fjorde fährt, jedoch ein Teilstück auf dem Festland zurückgelegt werden und abermals eine weitere Fähre bestiegen werden muss. Doch all dies ist im Preis von 5.600 CLP (7 €) enthalten; auch ein Bus von Somarco fährt mit für das Stück am Festland. Wir entscheiden uns für die vermutlich schönere Route durch die Fjorde und kommen nach 4 ½ Stunden in Caleta Conzalo an.
Die Fahrt war unbeschreiblich schön. Bei strahlendem Sonnenschein sitzen wir am Deck und genießen den Ausblick auf die Berge, Wälder und Wasserfälle zu beiden Seiten des Fjords. Immer wieder halten wir Ausschau nach potentiellen Mitfahrgelegenheiten und kommen mit vielen Leuten ins Gespräch. Ein Pärchen aus Deutschland, das sieben Monate durch Chile und Peru unterwegs ist und dafür ein Auto in Chile gekauft und mit einem Dachzelt ausgestattet hat. Ein Pärchen aus Spanien, das einen Bus gemietet hat und von Puerto Montt die Carretera Austral nach Süden abfährt. Und noch viele mehr – leider alle ohne Platz im Auto. Beim Umsteigen auf die zweite Fähre nutzen wir die Gelegenheit, dass alle Fahrer in ihren Autos sitzen und finden einen Chilenen, der uns in seinem Pickup bis Puerto Cardenas mitnimmt.
Puerto Cardenas sieht auf der Karte größer aus als es ist. Als wir aus dem Pickup aussteigen finden wir lediglich vier Häuser vor, eines davon eine teure Fischer-Lodge und das andere eine Privatpension deren Besitzerin mit unserer spontanen Anfrage etwas überfordert war. Ein Geschäft gibt es auch nicht, geschweige denn ein Restaurant und unsere Vorräte waren bereits alle aufgebraucht. Also beschließen wir trotz der fortgeschrittenen Uhrzeit von 17:30 Uhr und dem einzig bereits abgefahrenen Bus noch eine Mitfahrgelegenheit zu ergattern, leider negativ.
Bis wir mit einem netten Mann ins Gespräch kommen, der uns um 19 Uhr doch noch mitnimmt bis zur nächsten größeren Stadt Villa Santa Lucia. Dort war es ein leichtes in der Vorsaison eine Unterkunft zu finden. In der Hauptsaison ab Mitte November sollte man auf der gesamten strecke jedoch immer im Voraus buchen, wurde uns gesagt.
Was wir in Villa Santa Lucia vorfinden überrascht uns allerdings. Viele der Nachrichten aus Chile erreichen uns in Österreich nicht, so hörten wir auch nichts von dem gewaltigen Erdrutsch der im Dezember 2017 das halbe Dorf auslöschte. Eine eigenartige Energie herrscht dort vor. Die Hälfte des Dorfes ist unter zwei Meter hohen Erdmassen verschüttet, neue Straßen wurden aber bereits hergestellt, dabei entstanden hohe Erdwälle die wie Schluchten wirken, während in der anderen Hälfte die Menschen normal weiterleben. Der Tag ist sonnig schön und das Dorf strahlt eine sehr positive, lebensvitale Energie aus, es ist ruhig und entspannend, sodass wir beschließen eine weitere Nacht zu bleiben.
Am nächsten Tag sitze ich vor dem Minimarkt auf der einzigen und auch Hauptstraße des Dorfes und schreibe an meinem Blog, als zwei Motorräder vor mir halten. Am Dialekt unverkennbar stehe ich zwei Bayern gegenüber, die auf dem Weg nach Süden sind. Wir plaudern eine Weile als auch das deutsche Pärchen mit ihrem Zeltdach vorbeifährt und auf einen kurzen Plausch anhält. Scheinbar läuft man sich auf der Carretera Austral immer wieder über den Weg 😄
Am nächsten Morgen brechen wir auf, diesmal muss uns der Autostopp gelingen, denn der Bus fährt nur dreimal pro Woche und ausgerechnet an diesem Tag nicht. Wir suchen uns also ein Plätzchen an der scheinbar ewig geraden Carretera Austral, nicht weit vor uns versucht ein Mädl auch ihr Glück.
Zwei Stunden und 19 Fahrzeuge später steigen wir zu einem amerikanischen Touristen, sein Name ist Sigma, in den Pickup. Die Anhalterin vor uns ist auch bereits unterwegs, ein guter Tag. Wir wollten eigentlich in die kleine Stadt La Junta, eine etwa einstündige Fahrt, doch erfahren wir kurzfristig, dass unsere Gastgeber von Couchsurfing krank sind und uns nicht beherbergen können. Dennoch halten wir und kehren in einem kleinen Restaurant ein. Spontanerweise lädt uns Sigma zum Mittagessen ein – seine Ansage: keine Widerrede, denn er ist Pensionist und hat genug Geld. Außerdem war er in seiner Jugend auch per Autostopp unterwegs und kennt unsere Situation. Wir freuen uns sehr – danke! Und wir können das Cafe-Restaurant „La casita del té“ direkt an der Ruta 5 wärmstens empfehlen. Sehr leckere Menüs mit Vor- und Nachspeise um 8.000 CLP und frischen Kräutertees sowie frischen Fruchtsäften, sehr lecker. Sigma wollte heute noch einige Kilometer zurücklegen, also beschließen wir noch weitere 150 km mit ihm zu fahren.
In Puyuhuapi verabschieden wir uns und finden wieder schnell eine freie Unterkunft. Billig ist auf der Carretera Austral nichts, so kostet auch die Cabaña 15.000 CLP (19 €) pro Person und Nacht, schon ein „Last Minute Angebot“. Eigentlich hatten wir die Vorstellung, hier zwei Nächte zu bleiben, da es in der Gegend sehr viel zu erkunden, eine sehr schöne Landschaft sowie einen "hängenden Gletscher" zu sehen gibt. Unser Vermieter bietet uns sogar an, dass wir seine Kajaks ausborgen können. Doch am Nachmittag beginnt es bereits zu regnen und die Vorhersage für den nächsten Tag klingt nicht besser. Ausflüge im Regen hatten wir in den letzten Monaten genug, ändern somit unsere Pläne und brechen schon am nächsten Tag wieder auf. Wir nutzen den verregneten Nachmittag und planen unsere nächsten Aufenthalte. Als wir die Preise für den Transport zu den Gletschergebieten Fitz Roy und Perito Moreno, als auch für Unterkünfte in El Chaltén oder El Calafate sehen, verschlagt es uns die Sprache. Wir wussten, dass es teuer sein wird, aber das übertrifft unsere Vorstellungen. Ein Grund mehr schnell aufzubrechen damit uns mehr Geld in den Gletschergebieten zur Verfügung steht.
Puyuhuapi ist nett und bietet alles was erforderlich ist, doch ist es auch sehr touristisch. Am Abend gönnen wir uns noch einen Schlummertrunk in einem gemütlichen Pub-Restaurant. In Patagonien ist der Calafate-Strauch beheimatet und mit den süßen Beeren werden allerhand Leckereien gezaubert, so auch mein Lieblings-Cocktail hier: Calafate Sour.
Da bei Regenwetter die Chancen auf eine Mitfahrgelegenheit sehr beschränkt sind, entscheiden wir uns für den Bus um 8.000 CLP (10 €), der am nächsten Morgen um 6:30 Uhr früh abfährt. Das Aufstehen fällt schwer und die Busfahrt ist unangenehme fünf Stunden lang, bis wir endlich in Coyhaique ankommen. Coyhaique ist eine mittelgroße Stadt und wir wollten hier nie länger als nur zur Durchfahrt bleiben. Im Bus treffen wir einen alten Bekannten wieder, den wir schon einmal weiter im Norden getroffen haben: Abi aus Indien, der allerdings in Australien lebt und jetzt jeden Nationalpark in Chile abwandert. Hier lernen wir auch Maria aus Spanien kennen, die sich uns anschließt um gemeinsam über die Grenze nach Argentinien zu fahren.
Ja, wir haben unseren letzten Halt an der berühmten Carreteral Austral erreicht. Man könnte noch weiter Richtung Süden bis an ihr Ende in Villa O´Higgins ziehen, doch reizt uns dieser Teil der Route wenig und so beschließen wir hier am letztmöglichen Grenzübertritt nach Argentinien überzusetzen. Nachdem der Bus schon um 10 Uhr morgens in Coyhaique ankommt, fragen wir uns durch, ob denn noch heute ein Minibus nach Chile Chico, der letzten chilenischen Stadt, abfährt. Nein, kein Minibus, aber es gibt Transfers, welche gegenüber dem Supermarkt Unimarc abfahren und uns um 6.000 CLP bis nach Puerto Ibáñez bringen. Von dort müssen wir mit der Fähre den Lago General Carrera überqueren, dessen 2 ½ stündige Fahrt nochmals 2.300 CLP kostet. Vorsicht ist geboten bei den Abfahrtszeiten, die täglich andere sind, doch die Transfer-Fahrer kennen sie und richten sich danach. In Puerto Ibáñez verabschieden wir uns von Maria, sie bleibt noch einen Tag länger hier. Doch ich bin sicher, wir werden uns am Weg nach Punta Arenas noch einmal treffen 😊 Um 21 Uhr erreichen wir nach einem langen Tag endlich Chile Chico, finden rasch ein Hostel und ich falle sogar ohne zu Abend zu essen totmüde ins Bett.
Die Carretera Austral ist eine wunderschöne Strecke in Chile´s Süden und ich bin sehr froh, dass wir uns dafür entschieden haben. Auch wenn wir sie im Schnellverfahren in sieben Tagen bewältigt haben und es noch so viel mehr zu sehen gäbe, war sie ein wunderbares Teilstück unserer Reise. Irgendwann möchte ich gerne noch einmal hierherkommen und die Ruta 5 mit einem Wohnmobil befahren. Abweichen zu können von der Hauptverbindung und eintauchen in die aufregenden Naturlandschaften, die vielfältigen Tierarten beobachten und die Nationalparks besuchen. Im eigenen Tempo, auf den eigenen vier Rädern.
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