Gletscher Perito Moreno & die Route 40 (Argentinien)

Nachdem wir die Carretera Austral nun bei Chile Chico verlassen haben, wenden wir uns weiter Richtung Süden. Die einzige Verbindung am Landweg führt nun über Argentinien nach Punta Arenas, denn auf chilenischer Seite machen die hohen Bergketten der Anden den weiteren Straßenverlauf unmöglich. Auf argentinischer Seite erwartet uns die Route 40, welche sich über viele Kilometer durch ewig weite argentinische Pampas schlängelt. Mitten auf dieser einsamen Route liegt außer ein paar kleinen Dörfern noch ein sehenswertes Highlight: der Nationalpark „Los Glaciares“, der für seine riesigen Gletscherzungen bekannt ist. Wir beschließen, den Berg Fitz Roy und das Dorf El Caltén zu überspringen und etwas weiter bis nach El Calafate zu fahren um den berühmten Gletscher Perito Moreno zu sehen.


Die 700 km lange Anreise über die Route 40 soll für uns noch eine Herausforderung werden. Am frühen Morgen brechen wir von Chile Chico auf und haben Glück, dass uns sofort ein Auto bis nach Los Antiguos, dem ersten argentinischen Ort nach der Grenze mitnimmt und ein weiteres bis in die 60 km entfernte Stadt Perito Moreno. In Chile Chico ist es wahnsinnig schwierig Auskunft zu bekommen, wie es mit öffentlichen Transportmitteln über die Grenze oder weiter nach Calafate aussieht, also besser mal einfach per Anhalter rüber nach Argentinien und sich vor Ort informieren. Im Busterminal in Perito Moreno erfahren wir, dass es in der Hauptsaison ab dem 15. November täglich einen Nachtbus nach El Chaltén und weiter nach El Calafate gibt. Doch wir wollen erst unser Glück per Anhalter probieren und warten an der Stadtausfahrt bei Sonnenschein aber mit dem typisch patagonischen Wind der uns mit all seiner Kraft um die Ohren pfeift. Während wir warten, kreuzt plötzlich ein Gürteltier unseren Weg auf der Suche nach Nahrung. Wir sind beide völlig fasziniert, denn haben wir noch nie eines gesehen. Und dieses ist sogar sehr zutraulich und lässt sich streicheln und hochheben. Für etwa 20 Minuten hat uns das süße Tier herzlich die Zeit vertrieben.




Nach drei Stunden und nur zehn vorbeikommenden Autos geben wir um 15 Uhr vom Wind völlig eingestaubt und die Nase von der Sonne verbrannt auf und kaufen uns widerwillig das Busticket um 2.000 ARS (50 €) bei der Agentur Chaltentravel. Um 20 Uhr steigen wir in den Bus, der um 5:30 Uhr am nächsten Morgen El Chaltén erreicht und nach einer 2-stündigen Pause um 7:30 Uhr weiter nach El Calafate fährt. Für einen Nachtbus waren die Sitze leider nicht sehr bequem. Man konnte sie zwar ein wenig zurückklappen und es gab Fußstützen, aber an Schlaf war nicht viel zu denken. Angeblich fährt die zweite Agentur Marga Taqsa mit bequemeren Semicama-Bussen, aber dafür verlangen sie auch 2.700 ARS (68 €).


Völlig erschöpft kommen wir schließlich in El Calafate an und suchen erstmal ein Cafe mit Wifi. Leider liegt das Busterminal am Rande der Stadt und wir mussten erstmal etwa 15 Minuten ins Stadtzentrum spazieren. Nach den beiden Monaten in denen wir fast nur die schwere chilotische Hausmanns-Küche genossen hatten, macht mein Herz große Freudensprünge über den leckeren frischen Salat mit Räucherlachs auf meinem Teller und der hausgemachten Zitronen-Minze-Ingwer-Limonade in meinem Glas. Wir können dem Cafe-Restaurant Viva la Pepa nur unsere beste Empfehlung aussprechen!


Wenn auch das Autostoppen über die lange Distanz diesmal nicht geklappt hat, haben wir hier zumindest das Glück, dass uns eine Couchsurferin in ihrem Haus aufnimmt. Sie wohnt weit außerhalb des Zentrums und Stadtbusse oder Coletivos gibt es hier nicht, also nehmen wir ein Taxi. Jimee empfängt uns so herzlich in ihrem Haus, dass es uns schwer fällt nach zwei Tagen wieder Abschied zu nehmen. Wir sind dankbar über die Dusche die wir gleich nach unserer Ankunft nehmen dürfen um den ganzen Staub der Straße abzuwaschen. Oft sind es die Kleinigkeiten die einen richtig glücklich machen 😉 Jimee hat ein großes Herz und den Traum eines Tages auch reisen zu können. Noch ist sie voll und ganz für ihre Kinder da und lebt mit ihrem sechsjährigen Sohn Santino gemeinsam im Haus. Ich find die Idee sehr nett, dass sie die Türen zu ihrem Haus für Reisende öffnet damit auch ihr Sohn sieht, dass die Welt groß ist und es Menschen mit vielen verschiedenen Kulturen gibt. 


Am Tag unserer Ankunft gibt es auch gleich den Geburtstag von Santino zu feiern und wir freuen uns bei den Vorbereitungen und Dekorationen helfen zu dürfen. Auch wenn wir nach wie vor völlig übermüdet sind, macht uns die Feier mit den vielen Kindern und deren Eltern Spaß. Das ist ja das Schöne am Couchsurfen, dass man viele Leute kennen lernt und am Leben der Ortsansässigen teilhaben darf. Und zum ersten Mal in meinen 34 Jahren habe ich miterlebt wie das Geburtstagskind eine Piñata zerplatzen lässt und sich die Kinder über die herauspurzelnden Süßigkeiten stürzen. Ein Spektakel 😄


Am nächsten Tag wollen wir zum weithin berühmten Gletscher Perito Moreno. Das touristische Stadtzentrum von El Calafate ist überfüllt mit Agenturen welche Tagesausflüge um 1.500 ARS (37 €) oder teurer anbieten, sowie auch mit Busunternehmen, welche die Touristen scharenweise um 8 Uhr morgens zum Gletscher und um 16 Uhr wieder zurück in die Stadt karren, das ganze zum stolzen Preis von 800 ARS (22 €) für eine eineinhalbstündige Fahrt. Wir wollen es vermeiden uns in die große Masse der Touristen zu mischen und stellen uns lieber wieder an den Stadtrand um auf eine Mitfahrgelegenheit zu warten. Nach nur zehn Minuten bleibt ein Paar aus Miami stehen und nimmt uns in ihrem Mietauto mit. Ein nette Plauderei entsteht und es stellt sich heraus dass Emilio cubanische Wurzeln hat und Iris in Panama aufgewachsen ist. Bald schwanken wir auch vom Englischen ins Spanische, da auch sie sich untereinander auf Spanisch unterhalten auch wenn sie in den Staaten leben.



Am Eingang des Nationalparks zahlen wir den Eintritt von 600 ARS (15 €) und fahren noch bis zum Hafen mit Emilio und Iris mit. Die beiden haben eine einstündige Bootsfahrt über den Lago Argentino und zum Gletscher für 800 ARS gebucht, die wir uns allerdings leisten werden und so bleiben uns noch die letzten sieben Kilometer bis zum Gletscher zum Laufen. Auch wenn wir auf der Straße gehen müssen, ist es eine schöne Wanderung durch die Landschaft des Nationalparks, die uns immer wieder einen entfernten Blick auf den Gletscher schenkt. Wenn da bloß nicht die unzähligen Busse mit den Touristen im 10-Minuten-Takt an uns vorbeifahren würden 😉



Beim Gletscher angekommen erwartet uns ein Labyrinth aus künstlich angelegten Wegen, Podesten und Aussichtsplattformen - und bereits tausende von Touristen die in den unzähligen Bussen an uns vorbei gefahren sind. Wir entscheiden uns für die große, als "schwierigere" bezeichnete Runde in der Hoffnung dort auf weniger Menschen zu treffen. Naja, es waren wohl weniger als oben an der Plattform, aber es herrscht dennoch ein reger Verkehr. Die Aussicht jedoch ist spektakulär! 


Laufend ist das Knacksen und Grummeln des Gletschers zu hören, wenn sich die Eisschichten gegeneinander reiben und wir heften unseren Blick an die Eiswand in der Hoffnung einen Brocken fallen zu sehen. Immer wieder wird unsere Ausdauer mit kleineren herabfallenden Stücken belohnt, welche beim Aufprall auch ganz schön Krach machen, doch der große Brocken bleibt uns noch verwehrt. Wir treffen wieder auf unsere Freunde aus Miami, die uns im Auto mitgenommen haben als auch auf das australische Pärchen dass wir an der Stadtausfahrt von Perito Moreno schon einmal getroffen haben. Ihnen ist es auf Umwegen gelungen per Anhalter die 620 km zurückzulegen, doch nur sehr mühsam und auf mehreren Etappen. Da war ich dann doch froh, das Geld in den Nachtbus investiert zu haben. 
Circa zwei Stunden spazieren wir durch das Labyrinth, halten ein kleines Picknick mit Blick auf den Gletscher vor uns und werden dann schließlich doch noch belohnt, als sich ein etwa zehn Meter hoher Eisbrocken von der Spitze der 70 Meter in die Höhe ragende Eiswand löst und mit einem ohrenbetäubenden Krachen im Wasser zersplittert. Wie in Zeitlupe fällt der Klumpen hinunter, löst eine riesige Welle aus und zerspringt in tausend kleine Eisstücke. Ein Spektakel sondergleichen und unser Mund bleibt lange Zeit staunend offen.



Der Rückweg war dann leider etwas mühsamer, denn wir mussten für die eineinhalbstündige Fahrt zurück nach El Calafate dreimal ein Fahrzeug anhalten. Erst nahmen uns zwei argentinische Mädels ein Stück mit, dann ein deutsches Pärchen im Wohnmobil und schließlich noch ein deutsches Pärchen im Mietauto bis in die Stadt. Der patagonische Wind pfeift uns wie schon gewohnt frisch und heftig um die Ohren, was das Warten sehr unangenehm werden lässt.


Am nächsten Morgen wollen wir Richtung Süden weiterziehen, dazu müssen wir erst einen Bus nach Puerto Natales nehmen und anschließend einen weiteren bis nach Punta Arenas. Mittlerweile ist es Mitte November und die Saison hat in Patagonien bereits begonnen. Diesen Umstand hatten wir nicht bedacht, waren wir doch bis dato immer außerhalb der Saison unterwegs und hatten unser Ticket oder unsere Unterkunft immer im letzten Moment organisiert. Jetzt kam dann die große Überraschung, denn als wir unser Busticket für den morgigen Tag kaufen wollten, mussten wir feststellen dass nur mehr einige wenige Sitzplätze für den Bus in zwei Tagen verfügbar sind. Uff - und jetzt? Wieder einmal müssen wir kurzfristig umdisponieren.

Wir entscheiden uns für einen kleinen Umweg über Rio Gallegos, wohin für den morgigen Tag noch Tickets erhältlich sind und lassen Puerto Natales und den Nationalpark Torres del Paine aus, haben wir ihn doch schon vor vier Jahren einmal besucht. In Rio Gallegos treffen wir wieder auf Verwandte von Alejandro, die uns herzlich in ihrem Haus aufnehmen. Die Freude ist groß, haben sich die beiden Familien schon seit zehn Jahren nicht mehr gesehen. Wir verbringen den Abend gemeinsam mit selbst gemachter Pizza und dem für Argentinien typischen Getränk Fernet-Cola. Nichts für meinen Geschmack, da bleib ich lieber beim alkoholfreien Mate.


Voller Vorfreude, dass wir in einigen Stunden in Punta Arenas sein werden, bringt uns Maria zum Busterminal - schlechte Nachrichten, denn der einzige Bus heute ist schon am Morgen abgefahren und jener für den nächsten Tag schon ausverkauft. Viele Unternehmen haben die Busverbindung von Rio Gallegos (Argentinien) nach Punta Arenas (Chile) eingestellt, da der Bedarf nicht mehr so groß ist. Argentinien befindet sich einer schweren wirtschaftlichen Krise und die Menschen kämpfen Monat für Monat mit dem Umstand, dass das Einkommen für den Lebensunterhalt ausreicht. Da sind Ausflüge ins benachbarte und teurere Land Chile nicht sehr beliebt. Uns bleibt also nur die Option auf Autostopp und finden auch schon nach kurzer Zeit einen LKW der uns mitnimmt.


Vier Stunden dauert die Fahrt nach Punta Arenas und mit jedem Kilometer steigt die Vorfreude in gleichem Maße wie die Aufregung. ANKOMMEN. HEIMKOMMEN.

Fünf Monate waren wir nun auf den Tag genau unterwegs, haben so viel Neues gesehen, so viele Menschen kennen gelernt und viele viele Kilometer zurück gelegt. Jetzt kommt die Zeit des Ankommens, des Ausrasten, Zeit für die Familie, die wir so lange nicht gesehen haben. Weihnachten, Feiertage, In-sich-kehren, Stille. 

Ob die Reise hier zu Ende sein wird? Das wissen wir noch nicht. Doch wir haben bereits ein paar Ideen, die wir uns nun in aller Ruhe durch den Kopf gehen werden lassen.

Meine Gedanken und Erlebnisse hier aus dem Süden werde ich jedenfalls laufend niederschreiben und für euch veröffentlichen, denn das Abenteuer "LEBEN" ist definitiv noch nicht zu Ende 😉



Kommentare