Vor vier Monaten haben wir Zuhause Abschied genommen - vom Alltag, von einen anderen Leben und schweren Herzens von der Familie und unseren Freunden. Wir haben viel erlebt in dieser Zeit, neue Eindrücke gesammelt, verschiedene Kulturen kennen gelernt, aber auch unser Zuhause vermisst. Man beginnt nachzudenken über sein Leben und sich selbst, sein Zuhause und die große Welt. Als uns eines Tages plötzlich die Nachricht erreicht: "Wir kommen euch in Südamerika besuchen, wo seit ihr denn gerade unterwegs?!" Da ist die Freude natürlich riesengroß!!! Besuch aus der Heimat! Und dann ergibt es sich auch zufällig, dass wir zu dieser Zeit gerade in Chile unterwegs sind, Alejandro´s Heimat - was auch für mich ein Stück Zuhause bedeutet. Meine Cousine Angi und ihr Freund Max wollen uns besuchen kommen, eine unserer engsten Freunde in Österreich. Da machen unsere Herzen große Freudensprünge! Wir beschließen, uns auf der Insel Chiloé zu treffen, einer von Alejandro´s Lieblingsorten in Chile. Zwei Wochen wollen wir gemeinsam auf der Insel verbringen, sie erkunden und die chilenische Kultur erleben. Vierzehn Tage – Alejandro und ich stellen bereits im Vorfeld viele Überlegungen an, was wir mit den beiden unternehmen können. Es gibt so viel zu sehen und zu erleben, da ist es kein Leichtes auszuwählen. Doch haben wir versucht, ein angenehmes Programm zusammenzustellen, eine perfekte Mischung aus Kultur, Tourismus, Gastronomie und Leute.
Nachdem wir unsere beiden Gäste am Flughafen in Puerto Montt abgeholt hatten, ging es direkt weiter nach Puerto Varas, einer kleinen Stadt am See Llanquihue, deren Bewohner großteils deutscher Abstammung sind. Die Vermieterin unserer Cabaña erzählt, auch ihr Großvater war Deutscher, ist als Kriegsgefangener im Weltkrieg hier in Chile gestrandet und hat sich in die Stadt verliebt und ist nach seiner Freilassung geblieben. Doch schon viel früher, Ende des 19. Jahrhunderts, sollte die Region besiedelt werden und man lockte vor allem Deutsche nach Puerto Varas. Wir machen einen netten Spaziergang durch die Stadt, bestaunen die der deutschen sehr ähnlichen Architektur und genießen den Ausblick auf den See. Am Abend wird natürlich mit Pisco Sour auf das Wiedersehen angestoßen! Die Emotionen sind groß und viele Neuigkeiten wollen ausgetauscht werden. Wie es uns in Südamerika ergangen ist, was gibt es Neues in der Heimat, und und und... Mit heiserer Stimme fallen wir schließlich nach einem langen Abend ins Bett.
Bevor wir auf die Insel übersetzen, statten wir noch dem Hafenviertel Angelmó von Puerto Montt einen Besuch ab. Ein Spaziergang zwischen den Ständen mit Handwerkskunst und Souvenirs bringt uns auf den Marktplatz, wo uns gleich der Geruch von frischem Fisch und Meeresfrüchten in die Nase steigt. Wir probieren Ceviche vom Lachs, beobachten die faulen Seelöwen an der Mole, die uns auch diesmal einen aufregenden Besuch am Marktplatz abstatten in der Hoffnung auf frische Fischreste und gönnen uns ein leckeres Abendessen in einer der Marktküchen.
Auf Chiloé verbringen wir wunderbare Tage, denn auch das Wetter beglückte uns mit viel Sonnenschein und nur einigen wenigen Regenschauern. Unsere beiden Besucher waren wohl am Meisten beeindruckt von der Lebensweise der Inselbewohner sowie der typisch chilotischen Küche hier. Auch Angi und Max durften ein Zimmer in Tante Meme´s großem Haus beziehen, sodass wir unmittelbar am Alltagsgeschehen der Leute teilhaben konnten. Max war begeistert von dem einfachen Leben, hackte Holz und schürte das Feuer im Ofen als hätte er sein Leben lang nichts anderes gemacht. Tante Meme war glücklich, dass das Haus für kurze Zeit wieder belebt wurde, sich Max mit einer Hingabe um die Hühner im Hinterhof kümmerte und Angi und ich die Küche mit dem Duft von frisch gebackenem Brot füllten. Jeden Morgen wurde der Tisch gedeckt und ein großes, ausgedehntes Frühstück serviert. Frisch gebackenes Brot, Eier von den glücklichen Hühnern im Hinterhof, Obst und Gemüse und leckerer Tee mit Kräutern aus dem Garten. So lässt sich der Tag entspannt und zufrieden beginnen!
Sämtliche Freunde und Bekannte im Dorf wollten die beiden Österreicher kennenlernen und so wurden wir oft eingeladen und probierten viele verschiedene hausgemachte und typisch chilotische Speisen. Bei Onkel Fernando durften wir sogar mithelfen und lernten wie die leckeren Empanadas gemacht werden. Frisch aus dem Ofen sind sie unglaublich lecker und man isst immer eine mehr als eigentlich nötig ;-) Da wurde der anschließende Vorschlag eines Verdauungs-Spazierganges über seine Ländereien gerne angenommen. Nur vier Tage zuvor wurden zwei junge Lämmer geboren und wir durften beim Scheren eines der Schafe zusehen. Onkel Fernando erledigt dies bei seinen zehn Schafen mit der Hand, ein aufwendiges Unterfangen.
Auch bei Tante Gloria wurden wir zu einer Jause aus Tee und ihrer leckeren Churrascos (einer Art Krapfen) eingeladen. Auf ihrem Bauernhof wurden zwei Tage zuvor 21 kleine Ferkerl geboren, die wir natürlich gleich mal sehen wollten.
Um die Landschaft auch abseits der Bauernhöfe kennenzulernen, machten wir einen Ausflug an den Strand von Llau Llao. Ein Spaziergang von etwa einer Stunde durch das Dorf brachte uns an den Strand, jedoch vor versperrte Türen. Der Zugang liegt mittlerweile auf privatem Eigentum und wir müssen eine Alternative finden. Beim Nachbarn fragen wir nach und er zeigt uns den einzigen noch öffentlichen Zugang zur Bucht, einem kleinen Trampelpfad der durch den lang anhaltenden Regen der letzten Wochen ziemlich verschlammt ist. Doch wir stellen uns dem Abenteuer und haben wie kleine Kinder großen Spaß dabei. Auch die Bucht ist matschig und wir müssen mit einer kleinen Bootsrampe vorliebnehmen, an der wir unser Picknick und die herrlichen Sonnenstrahlen genießen. Nach zwei Stunden geht das Wasser, das uns den weiteren Weg versperrt hatte, zurück und wir setzen unser Abenteuer fort. Über den noch vor kurzem unter Wasser stehenden steinigen Strand spazieren wir über mit Algen verwachsenen Steinen und finden auch ein paar junge Picorocos an einem Felsen wachsend. Picorocos sind eine Art Krebsgetier, die sich gerne auf den Speisekarten der Chiloten wiederfinden.
Ein Ausflug in den Nationalpark Chiloé durfte natürlich nicht fehlen. Wieder hatten wir das Glück die Pfade durch den Park und am Strand entlang zwei Tage lang bei wärmenden Sonnenschein genießen zu können.
Aufregend und sehr interessant war der Ausflug auf eine Miesmuschelzucht. Der Süden Chile´s und somit auch sehr viele Bewohner auf der Insel Chiloé leben von der Muschelzucht und deren Verkauf. So arbeitet auch unser Freund Carlos Mario auf einer der Muschelfarmen und lädt uns zu einer Besichtigungstour ein. Ein beeindruckendes Erlebnis, zu dem man als einfacher Tourist keinen Zugang hätte, jedoch sehr viel Einblick erhält in das Leben der Chiloten und deren Alltag. Voll ausgestattet mit Fischerklamotten stiegen wir ins Boot, das uns zur Muschelfarm bringt. Carlos Mario erklärt uns alle Details über die Anzucht auf den Seilsträngen, die acht Meter in die Tiefe ragen, wie man den Reifegrad der Muscheln erkennt und wie sie nach acht Monaten geerntet werden. Sehr beeindruckend.
Unser Ausflug auf die Insel Quinchao wurde leider von dunklen Wolken und immer wiederkehrendem Regen begleitet. Im Dorf Achao finden wir eine nette Unterkunft und besichtigen die Kirche, eine der schönsten der unter UNESCO-Weltkulturerbe stehenden Holzkirchen von Chiloé. Am nächsten Tag fand ein großes gastronomisches Fest statt, dem „encuentro gastronomico de productos del mar“, an dem wir uns durch all die leckeren Köstlichkeiten probieren wollten. Leider wurde das Fest von anhaltendem Dauerregen und fröstelndem Wind begleitet, was uns unseren Aufenthalt früher abbrechen ließ. Dennoch haben wir leckere Empanadas mit Fleisch- oder Meeresfrüchtefülle, dem typischen Eintopf „Curanto“ aus Meeresfrüchten, Muscheln, Fleisch, Würstel, Erdäpfeln und Knödeln sowie hausgemachten Apfelmost und lokal gebrauten Bier probiert.
Zum Abschied gab es dann noch bei Carlos Mario und seiner Familie selbstgemachte Completos – Hot Dog á la chilena mit Avocadacreme, gehackten Tomaten, Mayonnaise und Chilli.
Angi und Max waren wohl sehr zufrieden mit unserer Auswahl, denn sie wollten so gar nicht mehr weg von der Insel. Und wir wollten sie nicht ziehen lassen. Der Abschied nach zwei kurzen Wochen, die wir intensiv miteinander verbracht hatten fiel schwer. Die beiden erzählten uns am letzten Tag, dass sie die Zeit hier sehr genossen und einen wunderbaren Einblick in die Kultur der Chilenen, insbesondere der der Chiloten, bekommen haben. Sie werden das einfache Leben vermissen, das Feuer im Ofen schüren, das tägliche Füttern der Hühner und Schafe und vor allem jenen Part der Kultur, der das Zusammenleben betrifft. In der kurzen Zeit schon konnten sie fühlen, wie sich die Menschen hier Zeit für das Miteinander nehmen. Ein gemeinsames Tässchen Tee nach der Arbeit, vielleicht sogar eine kleine Grillerei oder einfach nur eine Partie „Uno“. Ich denke, dass wir alle vier etwas davon mit nach Hause nehmen werden. Etwas von der Gelassenheit und Ruhe, das wir in unseren hektischen, städtischen Alltag einfließen lassen können.
Es war eine wunderschöne Zeit mit Angi und Max auf Chiloé, wir haben wieder Energie getankt, ein Stück Heimat geschenkt bekommen und auch für uns hat es sich angefühlt wie „Urlaub“ von unserem langen Reiseabenteuer quer durch Südamerika.
Auch für uns bedeutet es jetzt Abschied zu nehmen, von der Insel, unseren Freunden und Bekannten. Beinahe zwei Monate haben wir nun hier verbracht, eine wunderbare Zeit verlebt und viel Kraft getankt. Doch nun erwartet uns bereits das nächste Abenteuer auf unserem Weg in den Süden: die Carretera Austral, die wohl landschaftlich schönste Strecke in Chile.
dem kann ich wohl nichts mehr hinzufügen :-) Vielen, vielen Dank euch beiden für die wirklich tolle und einzigartige Zeit!!
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