Auf Chiloé läuft die Zeit anders

Im letzen Eintrag habe ich euch ja erzählt, dass diese Insel etwas Magisches und noch so viel Ursprüngliches ausstrahlt. In den letzten drei Wochen, die wir mittlerweile schon auf der Insel verbracht haben, habe ich Dinge erlebt und gesehen, die ich bis dato nur aus den Erzählungen meiner Oma von früher kannte. Auf der Insel leben die Menschen vom Fischfang, der Zucht von Muschel, besonders Austern und Miesmuscheln, der Aufzucht von Schafen, Kühen und Schweinen. Beinah jedes Haus hat zumindest einige Hühner im Garten für das tägliche Frühstücksei. Und so gestaltet sich auch das Leben hier auf der Insel: etwas langsamer, entschleunigt, man lebt von den Produkten die auf der Insel produziert werden und importiert sehr wenig vom Festland. Man hat das Gefühl, die Zeit verläuft hier langsamer.


Bei allen unseren Ausflügen treffen wir auf Bauernhäuser, in deren Gärten oder auf den Weiden Schafe grasen. Schafe und Kühe, Schweine und Hühner - in allen Variationen, Rassen und Farben sind hier zu finden. Und man schmeckt es auch, dass die Tiere hier auf der Weide stehen, viel Auslauf, saftiges Gras und frische Luft bekommen. Das Fleisch ist viel schmackhafter, die Eier intensiver in Geschmack und das Dotter leuchtend gelb.




Landwirtschaftliche Maschinen wie Traktoren trifft man hier nur sehr selten an. Die Bauern erledigen die Feldarbeit hauptsächlich mit einem Ochsen-Gespann, denn die Haltung ist günstiger, weniger wartungsintensiv und Zeit hat man hier auf der Insel genug. Auf einem unserer Ausflüge begegnen wir einem Bauern, der gerade dabei ist, seine beiden Ochsen auf das Feld zu treiben. Er erzählt uns, dass dies sogar Stiere seien, also noch sehr temperamentvoll. Umso mehr bin ich beeindruckt wie "gut erzogen" die Tiere sind. Bei der kleinsten Bewegung des Bauern und seiner Rute reagieren die beiden und wechseln die Richtung. Diese Arbeitsweise kenn ich nur mehr aus alten Büchern und hier auf Chiloé ist das noch immer der übliche Alltag. Schade, dass wir ihn nicht bei der Arbeit am Feld beobachten konnten.


Einige Wochen auf dieser Insel und man schaltet automatisch einen Gang zurück. Man erinnert sich an seine Wurzeln und lebt wie selbstredend im Einklang mit der Natur. Auch ich habe mich von der Lebensweise der Chiloten (so bezeichnen sich die Bewohner der Insel Chiloé) bezaubern lassen und gehe immer weniger im Supermarkt einkaufen. Lieber backe ich mein eigenes Brot, hole die frischen Eier vom Hühnerstall im Garten von Tante Meme, süße meinen Tee mit Honig der vom Nachbarn produziert wird und was nötig ist, kaufe ich beim kleinen Greißler um die Ecke anstatt im Supermarkt. Greißler oder Minimärkte gibt es in Chile noch in jedem Dorf, sogar in den Städten. Allerdings gehen sie auch hier zurück, da die Konkurrenz der Supermärkte einfach zu groß ist. Doch zum Glück geht der Großteil der chilenischen Bevölkerung noch lieber zum Greißler ums Eck anstatt zum Mega-Supermarkt.


Weil es am Foto grad so schön zu sehen ist: gekocht und geheizt wird hier auf der Insel hauptsächlich mit einer "cocina chilota", wenn ich mich richtig erinnere hat man diese in Österreich "Sparherd" genannt. Bei uns sind diese Herde leider nur noch in Museen zu finden, hier in Chiloé sind sie jedoch sehr gebräuchlich. Zwar hat jeder Haushalt auch einen Gasherd angeschlossen, der aufgrund der hohen Gaspreise jedoch nur selten in Verwendung ist. Gas gibt es außerdem nur aus Gasflaschen, eine Versorgung über Leitungen ist hier nicht gegeben. Die cocina chilota wird ausschließlich mit Holz geheizt und versorgt die Küche und Nebenräume angenehm mit Wärme. So kommt es auch, dass die meist groß angelegte Küche der zentrale Aufenthaltsraum der Bewohner ist. 

Gekocht werden hier auch noch sehr traditionelle Gerichte: von der kräftigen Hühner-Gemüse-Suppe, über Brathuhn und Milcaos, Empanadas aus dem Ofen oder frittiert und viel gegrilltes Rinderfleisch. Als Beilage gibt es hauptsächlich Erdäpfel in jeglicher Form, Farbe und Variation - die Chiloten sind bekannt für ihre knollige Feldfrucht. Chiloé gilt auch als Ursprungsland der Kartoffel. Letztens hat Tante Gloria für uns "Churrascos" hausgemacht, ein Brandteiggebäck, welches mit Honig oder Marmelade zur Kaffeejause gegessen wird. Natürlich auf einer cocina chilota gekochtDie Süßspeise hat Ähnlichkeit mit den uns bekannten "Gebackenen Mäusen".



Man kann glaube ich schon erkennen, was eine der Besonderheiten für mich auf dieser Insel ist. Es versetzt mich ein wenig in eine andere Zeit zurück, entschleunigt und nimmt mir den Stress und Druck der hektischen Großstadtarbeitswelt. Sich auf seine Wurzeln zu besinnen, auf das althergebrachte zu konzentrieren und zu erkennen, dass es sich viel leichter lebt im Einklang mit der Natur, mit selbst Gekochtem und selbst Angebautem. Das hat mir gefehlt. Doch es hier und jetzt zu sehen und zu erleben, lässt mich auch erkennen, dass es das auch nach wie vor in meiner Heimat gibt. Vielleicht nicht mehr so offensichtlich und es ist schwerer den althergebrachten, entschleunigten Weg zu erkennen, doch es gibt ihn und ich freue mich schon, auch in meinem Garten mein eigenes Gemüse anzubauen. Ein kleiner erster Schritt... 😊



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