In Iquique angekommen war unsere Hostel-Entscheidung erstmal ein Reinfall. Diesmal hatten wir vorab im Internet eine Unterkunft ausgesucht - schön angepriesen, tolle Fotos - die sich vor Ort allerdings als dreckige, Marihuana-verrauchte Bruchbude herausgestellt hat. Traue nicht dem Internet! Das haben wir nun gelernt. Also doch wieder den Taxifahrer um Rat fragen und er bringt uns zu einem wunderschönen Hostel (fast) direkt am Strand. Die Taktik hat sich mittlerweile sowohl in Peru als auch Chile bewährt.
In Peru haben wir uns aufgrund der günstigen Preise (zwischen 20 und 35 Sol/Nacht und Person, das sind etwa 5 bzw. 9 Euro) immer ein Doppelzimmer geleistet, doch in Chile ist das Leben in allen Bereich erheblich teurer, so auch die Unterkünfte. So entscheiden wir uns diesmal für einen Gemeinschaftsschlafraum mit acht Betten, wobei uns das Bett pro Nacht 7.000 CLP (etwa 10 Euro) kostet. Schneiden diese Gemeinschaftsräume zwar drastisch in die Privatsphäre ein, sind sie doch eine sehr gute Möglichkeit andere Reisende kennen zu lernen, da man ohne viel Zutun sofort ins Gespräch kommt. So hat sich Alejandro bald mit zwei Burschen aus Viña del Mar angefreundet und ich konnte mich nach längerem wieder einmal auf Deutsch unterhalten. Frank aus Deutschland war einige Monate mit seiner Freundin in Ecuador, Kolumbien und Peru unterwegs, musste sie jedoch aufgrund der Arbeit wieder heim, reist Frank nun alleine weiter und will sich ein Motorrad kaufen um damit bis nach Patagonien zu fahren. Wir stehen in Kontakt und hoffen uns auf unserem Weg Richtung Süden noch einmal zu begegnen. Auch treffen wir in diesem Hostel wieder auf viele Volunteers, so auch auf das charmante "Bar-Fräulein" aus Deutschland, mit der wir uns am Abend oft unterhalten. Sogar Alejandro übt bei dieser Gelegenheit sein Deutsch 😊
In Iquique haben mich schließlich die Strapazen der letzten Wochen eingeholt. Peru war wunderschön und ein tolles Erlebnis, doch haben wir aufgrund unserer Unerfahrenheit viele Fehlentscheidungen getroffen, die sich auf die körperliche Fitness niederschlagen. Voller Motivation und Elan sind wir schon in Lima viel zu früh los gestartet, waren wir doch eigentlich noch im Modus "Arbeiten, Hamsterrad und Verantwortung" gefangen. Aufgrund des bakteriell verseuchten Wassers in Peru litten wir beinahe ununterbrochen an einer Magenverstimmung, was sich nach gewisser Zeit auf das Gemüt schlägt. Obwohl es "nur" die Magenverstimmung war, die uns in den Bergen von Huaraz erstmals zu schaffen machte, dachten wir damals, es ist auch die Höhe auf 3.000m, was darin gipfelte, dass wir von diesem Moment an Angst hatten, in die Berge zu reisen. Das war bereits der Zeitpunkt an dem wir uns überlegten wie die Route denn weitergehen soll. Wir wollten in die Berge, was eigentlich auch fast unvermeidbar ist in Peru, hatten nun aber großen Respekt vor den Anden und deren Höhe. Wir begannen Umwege zu suchen um in den Regenwald auf der anderen Seite der Bergkette zu kommen, fanden jedoch nur den Luftweg als Lösung. Der Inlandsflug ist deutlich teurer im Vergleich zu den Bussen an Land, was sich wiederum auf unser Reisebudget niedergeschlagen hat. Im Regenwald hat Alejandro unter der großen Hitze gelitten und als er sich nach der ersten Moskito-Attacke der Gefahr des Dengue-Fiebers und sonstige Infektionskrankheiten übertragen durch Moskitos bewusst wurde, wurde er zusehends unentspannter. Mich hat im Regenwald ja auch ein grippaler Virus für eine Woche niedergestreckt. In Bolivien weiter durch den Regenwald zu reisen war somit kein Thema mehr und wir begannen abermals Alternativen zu suchen, wieder ein Flug, wieder ein Anschlag auf unser Reisebudget. Dann der Irrweg vom Titicaca See bis nach Tacna, nur um wieder nicht zu wissen, wie es nun weitergehen soll.
Es war anstrengend. Jetzt sind wir wieder an der Westküste, wobei unsere Route doch nach Paraguay führen hätte sollen und von dort nach Buenos Aires an die Ostküste um Freunde zu besuchen. Wann das nun sein wird, wird man sehen. "Without a Script" zu reisen ist zwar toll und flexibel, birgt aber auch viele Gefahren. Wir hatten zwar eine Idee unserer Route, waren aber auch unvorbereitet, was ich nun im Nachhinein zugeben muss. Die Umstände des verseuchten Wassers, die Höhenkrankheit, die Infektionsgefahr der Mosquitos - damit hatten wir uns nicht großartig auseinander gesetzt, was uns dann zur Last wurde und an unseren Nerven gezerrt hat. Die psychische Belastung dessen haben wir unterschätzt und während unseres Aufenthalts in Peru wohl auch unbewusst ignoriert.
In Iquique holte uns es schließlich ein, man kann nicht davor davonlaufen. Nun waren wir in einem Land das wir kennen, wo wir Vertrauen haben und anfingen uns zu entspannen. Eigentlich. Denn genau diese Entspannung hatte zur Folge dass nun sämtliche, teilweise bis dato unterdrückten Emotionen und Belastungen der Peru-Reise an die Oberfläche drangen und abgearbeitet werden wollten. Sie kamen alle auf einmal, schlagartig, zuviel für mich, ich wurde nervös und unrund. Bildete mir ein, dass mein Körper extrem schwach ist und jeden Moment krank wird. Ich startete die Reise ja schon in schwachem körperlichem Zustand. Ein Dauerstress von drei Jahren raubte mir die Energie, zerstörte meinen Vitamin- und Nährstoffhaushalt, den ich zwar kurzfristig noch kurz vor Abreise begann wieder aufzubauen, aber dennoch unsicher war, ob die Therapie ausreichend war. Ich fühle mich "ausgebrannt", hoffte, dass die Abwechslung der Reise mich wieder auf Vordermann bringt. Aber hier in Iquique, in diesem Moment, fühlte ich mich sehr niedergeschlagen, ohne Kraft, nervös, nicht wissend wie ich weitermachen soll. Auch Alejandro holen die Emotionen aus Peru nun ein und auch er fühlt sich nicht besonders fit. Doch holt sich er Kraft aus dem Umstand nun in "seinem" Land zu sein, die Heimat und Wurzeln zu spüren, daraus Energie tanken. Die Frage "Sollen wir abbrechen?" stand immer wieder im Raum. Was sollen wir tun, wohin führt unser Weg, wo ist das Licht das uns die Richtung weist?
"Nein, wir wollen nicht abbrechen!" war unsere einstimmige Entscheidung. Die Stimme in unserem Herzen, in unserer Seele sagt, sie will weiter machen. Erfahrungen sammeln und Lösungen suchen. Das Licht ist in uns drinnen, wir müssen es nur zum Leuchten bringen und ihm folgen. Wir wollen eine Möglichkeit finden zu reisen, die meinem körperlichen und psychischen Zustand angemessen ist. Alejandro meint, es hat keinen Sinn jetzt und in diesem Zustand noch drei Wochen weiter zu reisen bis wir in Santiago ankommen, bei der Familie. Nehmen wir noch ein letztes Flugzeug und fliegen direkt nach Santiago, dort finden wir fürs erste Sicherheit, Geborgenheit und Vertrautheit im Kreise der Familie. Erst sträubt sich alles in mir gegen diese Idee, bedeutet es doch irgendwie "aufgeben". Doch im Grunde hatte er Recht, es ist die beste Idee. Pausieren, sich erholen, aus Fehlern zu lernen und neue Wege suchen hat nichts mit "aufgeben" zu tun. Dort können wir uns ausrasten, die Zeit mit der Familie genießen und ich kann auch einen Arzt aufsuchen, erneut ein Blutbild machen lassen um zu sehen ob die Therapie geholfen hat.
Nach vier Tagen in Iquique brechen wir auf nach Santiago - für seine Mama soll es eine Überraschung werden, uns schon so bald in die Arme schließen zu können.
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